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5 punkt eins | 1. mai

thorbergur will mich mit nach akureyri nehmen.
seine tochter hat ein konzert, wird es mir angekündigt.
„she's a singer“ erfahre ich später. sie ist siebzehn. erfahre ich noch später.
gut 300 km mit dem auto richtung norden liegen zwischen uns.

um 9h wollen wir los. als ich um 7 aufstehe, ist alles weiß und es schneit noch immer.
„are we still about to go today? i mean, do you think we can pass the mountain?“
frage ich kurz vor neun.
„i don't know, we have to see.“

wir haben kein internet und können nicht auf der road - conditions webseite nachsehen, wie brisant die lage ist.

um halb zehn fahren wir los. im dicken jeep mit großen sicheren reifen.
„we will change the cars, i need more space to transport things.“

alles klar. wir tauschen unser sicheres schiff also gegen einen weißen vw bus.
ein reifen ist etwas platter als die andern.
macht nichts. ich rede mir ein, dass es bestimmt besser polstert im schnee.

die steinschlaglöcher wirken so uninteressant gegenüber dem rissgeflecht im unteren teil der windschutzscheibe.
als wir die serpentinen raufrutschen und thorbergur statt mit mir zu sprechen in sein handy kommuniziert und nur noch eine hand am steuer hat, mache ich die augen zu.

ich muss sie zusammenkneifen, denn alles ist weiß. das licht ist zu grell.
mir wird eine sonnenbrille gereicht.

iso 100, bei blende 16 braucht es eine 500stel sekunde. so hell ist es!

wir kommen schließlich über den pass und sehen leuchtend das tal,
vom dunst eingerahmt. so halb rund. ganz unwirklich.
wie auf die erde gucken.
von oben.
von überirdisch.

tanken bei orkanbensin in egilstaðir.

wir fahren jetzt auf die route 1. die ringstraße islands.

„you see, we have a lot traffic here“, sagt thorbergur mit einem grinsen.

die sonne bricht immer wieder durch den schneeverstürmten und wolkigen himmel.

„this is iceland! with real icelandic weather“ höre ich wie aus dem off,
während dieselben worte eine sekunde zuvor durch meinen kopf jagen.
ich schmunzele und wir wechseln ein paar worte.

immer wieder entstehen längere gesprächspausen.
aber es ist keine peinliche sondern eine angenehme stille,
mal abgesehen vom röhren des gefährts.

ich denke an richard, der kaum eine sekunde aushält,
ohne laute, geräusche und abgehackte worte zu sich selbst
aber auch ganz interessante „hey, did you know...“ intermezzi zum besten zu geben.

plötzlich halten wir.
ich gucke zur fahrerseite. thorbergur schaut mich begeistert an.
er zählt halblaut murmeld und sagt
„around 60!
the biggest group I saw a while ago were about 300.“
rentiere! my gosh!
„santa must be in the near!“ sage ich. wir lachen und fahren weiter.

kurvige straßen zwischen bergkämmen fließen in eingeschneite flache ebenen,
wir überqueren einige male tiefschwarze felsige flussläufe.

etliche male nicke ich weg, meinen noch warmen kamillentee
in der roten-ein-liter-nalgene- flasche in der einen,
die kamera in der anderen hand.

gegen 12h15 erreichen wir mývatn.
wir biegen um einen berg und überall steigt rauch auf.
wasserdampf wohl eher. „hot water!“ mývatn heißt soviel wie mückenwasser.
ich frage erst mich und dann ihn, wie man einer quelle ansieht, ob es ungefährlich ist darin zu baden. der schwefelduft in der luft macht wohl, dass ich darüber nachdenke.
er sagt: „ here you can't go inside, it's much too hot!“
alles klar, mit der antwort hatte ich nicht gerechnet!
ich mache ein paar wackelbilder im vorbeirasen aus dem fahrenden auto.

nach einiger zeit im nirgendwo erreichen wir wieder so etwas wie zivilisation.
es gibt einen supermarkt und der hat schokolade.
sirius. ich denke an harry potter.
sirius half black –  denk ich für mich. milchschokolade eben.
und eine wirklich sehr gute noch dazu.

wir umkreisen den halb eingefrorenen mückensee,
umgeben von kleineren, einzeln stehenden bergen
mit gewissen einkerbungen, wo für gewöhnlich die bergspitzen sind.
die gesteinsbrocken um uns herum scheinen erstaunlich witterungsbeständig,
es sieht alles so scharfkantig, spitz und roh aus.

die zuvor naiv beschrieben berge sind tatsächlich vulkane,
und das dunkle felsenzeug ist lavagestein, werde ich aufgeklärt!

gedacht hatte ich das auch, aber ich konnte mir nicht vorstellen,
wo das auf der ebenen fläche einfach so herkommen sollte.

das eintönige rauschen, die heizungsluft und der schnee immerzu
schläfern mich dauernd wieder für einige minuten ein.
150km lang kommt jetzt nichts, habe ich noch im hinterkopf und stimmt auch so halb.
immer mal wieder tauchen neue bergketten aus dem weißen horizont auf,
meine wahrnehmung wird hart auf die probe gestellt.
langsam tut mir der kopf nicht mehr ganz so weh.

ganz selten mal ein gelbes straßenschild, plötzlich steht auf einem blauen goðafoss.

den namen kenne ich nur und zack biegen wir ab, damit ich mal gucken kann.
ein wasserfall, und was für einer.
es steht sogar schon ein anderes auto dort, obwohl man vor schnittiger luft
die hand vor augen fast nicht sehen kann.

„possibly you see it better from outside!“
ich schlage mich also tapfer durch den kniehohen schnee und mache exakt
ein! bild.

mehr Zeit vergeht bis wir an einem
großen berghang entlang auf offene meer zufahren.
„the atlantic ocean“ und gegenüber eine recht große ansammlung von häusern.

akrureyri!
im hintergrund liegen weiße berge und ein skigebiet.
über eine straße, die den fjord auf wasserhöhe teilt, kommen wir zur stadt.
überall stehen häuser in dänischer architektur von vor knapp 150 jahren. bunt, schön und schick.

ich werde das gefühl nicht los, mich durch die welt der sims zu bewegen.
alles scheint so seltsam hineingesetzt.
wie häuschen auf einem riesigen naturmonopolispiel.

ich lerne anke und lilla kennen. thorbergurs frühere familie.
anke ist deutsche.
sie lebt seit knapp 30 jahren in island als englisch- und deutschlehrerin.

zum kaffeetrinken wollen wir in die stadt.
kaffi gibt es am ersten mai nämlich gratis im „hof“,
dem relativ neuen kolossalen steinrundgebäude für kunst und kultur.
das buffet mit sahnetorten, schnittchen, keksen und anderem gebäck
wird noch vorbereitet und die prallgefüllen kaffeekannen warten auf ihren einsatz.
jedoch die veranstaltung im saal ist noch nicht zuende
und so warten schemenhafte gestalten an tischen und in ecken,
ganz unauffällig versteht sich, auf die heiße schlacht am kalten schlagsahne buffet.
und wir sind mittendrin.

leider müssen wir gehen, als es eröffnet wird und so
schnappen wir uns nur schnell einen keks auf die hand und laufen rüber zur musikschule.

das konzert entpuppt sich als musikabend derselben.
ein kleiner junge spielt ein minuet von bach. ein anderer hänschen klein auf dem akkordeon. viele können gerade die ersten 10 töne auf dem klavier, auch der flohwalzer ist natürlich dabei.

viele mädchen singen wohl sowas wie schlager, aber ich kenne die lieder nicht und verstehe auch kein wort und finde daher alles ganz schön gut.

bis zum ersten mal ein geige & gitarre duo auftritt. dem kleinen mädchen hätte man am besten eine säge statt des geigenbogens in die hand gegeben, tontechnisch hätte es vielleicht keinen unterschied gemacht,
aber es wäre schneller vorbei gewesen! anke guckt mich nur fies lachend an und sagt:
"ich hab dich gewarnt!"

überall rennen kinder umher, essen kekse und stopfen kuchen in den mund
bevor sie im nächsten moment selbst auf der bühne stehen.

„it's my turn, could you hold my bag?“ sagt ein stimmchen
neben mir auf der treppe neben der bühne.
zum abschluss hat nun lilla endlich ihren auftritt
und was da für eine unglaubliche stimme aus dem
recht schweigsamen blonden mädchen rauskommt,
kann man schlecht beschreiben. eine akustische überraschung.

es ist ein lied aus den sechzigern, das mittlerweile sogar zur rock- und metallversion gemacht worden ist.

lillas version klingt sehr jazzig und einfach nur gut.
ungefähr so:

ó borg mín borg

zum krönenden abschluss schmettern alle gemeinsam einige abba songs,
das publikum mir gegenüber schaukelt mit. skurril, aber schön!

bevor wir wieder aufbrechen, gibt es
noch warmen apple crumble mit smartiesplittereis und schlagsahne,
tee und milch, selbstgebacknes butter- und käsebrot.

ich bekomme eine private spracheinführung,
die mich nicht unbedingt richtig dolle ermutigt.
isländisch lernen steht noch immer auf dem programm. aber wie?

die rückfahrt ist zu anfangs rosig bis sie eisig und müde wird.
ein zweiter stopp am goðafoss,
in dem der sage nach mit ausbreitung des christentums
sämtliche statuen ehemaliger gottheiten versenkt wurden
und zu grunde gegangen sind.

ich produziere postkartenfotos meine lieben, vom Feinsten!

unruhig und unbequem schlafen kann man ganz gut in dem weißen wagen.
ich sage irgendwann „i'm so sorry, i can't keep myself from falling asleep!“
„it's no problem!“, höre ich noch. ein wenig besorgt, da ich glaube auch seinen kopf aus dem augenwinkel herabnicken gesehen zu haben.




Islandwetter

road to nowhere
Islandwetter 1Schneeebenereindeer-wrenchMyvatn mittagsSirius Half BlackAkureyri

godafoss 3


GodafossGodafoss 2Postcards from IcelandnightsbabyblueMückenseeMückensee_2myvatn abendsguiding lightsblue nightsEgilsstadir by night
 Dann bin ich weg.